Peter Miniböck

Die anderen Verwandlungen
Metamorphose Metempsychose Mimikry
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Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt’. Der Rest der Verwandlungsgeschichte ist bekannt: Als Tier, in einem metaphysisch - metaphorischen Zwischenreich, wie ein Mensch über die Vorgänge ringsum reflektieren zu können. Das Schicksal ahnen, es aber nicht begreifen, nicht akzeptieren wollen.
Was aber war mit Kafkas metaphorischem Gregor Samsa vordem geschehen? Und wie hatte es mit ihm soweit kommen können? Vielleicht hat er nie die vorbeiziehenden Wolken beobachtet, hat nie deren von Sonnenstrahlen akzentuierten Konfigurationen gesehen, hat folglich nie Gebilde seiner Vorstellungskraft aus ihnen entstehen lassen, hat deren ‘Verwandlungen’, die ja Verwandlungen seines Bewußtseins gewesen wären, für sich nicht zugelassen. Und die Ursache für seine - ohne Sentimentalität erfolgte - Verwandlung in ein Ungeziefer, war, daß es nur diese eine Möglichkeit einer zuverlässigen Seelenwanderung für ihn gab: Die totale Verwandlung, die absolute Metempsychose demnach. Die Wolken also zulassen. Sie sind Pforten, die wir als Eingangstore in unsere Seelenlandschaft benützen.
Leo Navratil zitiert in ‘Schizophrenie und Religion’ einen siebzehnjährigen Patienten: "Gott Vater ist eine Wolke, das ist mein Mund, der Hauch meines Mundes".
Die Metamorphose und die Metempsychose sind demnach gut funktionierende Taktiken, um - vorübergehend - der Unerträglichkeit von Todesgedanken zu entgehen.
Die Venus aber, dieser abendliche Stern der Hoffnung, ist in Wahrheit eine Hölle.
Und Bäume sind…, Ausdruck jener archaischen Sehnsucht, an anderen, entfernten Orten zu sein. Hoffnungen aber können sich überall, an jedem Ort, an jedem Objekt erfüllen.

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