Rudolf KRAUS - Dramolett
1
Der Scharlatan
Bühne : 2 gegenüberstehende Stühle, umgeben von Dunkelheit.
Der Scharlatan tritt auf.
Personen : Der Scharlatan
Paul
Der Scharlatan: Es freut mich, daß sie wieder den Weg
zu mir gefunden haben. Im Schein des Lichts verbirgt sich die Wahrheit
und nur sie kann uns den rechten Pfad weisen. Sagen sie nichts, die
Tochter ist's. Aus ihrer Seele les ich es ab, sie bedrückt ihr
Herz, es ist der Schmerz, der sie zu mir führt.
Paul: Oh Meister, wenn nur der Schmerz allein den Weg mir wies.
Aber nein, die Hölle durchschritt ich, die Hunde am Bein. Nie mehr
wieder will ich zornig sein. Müde war ich, mein Tagwerk war getan,
als ich nach Hause kam. Kein Lächeln, kein Ton empfingen mich,
wie ich's gewohnt. Mein Blick durchstreifte jede Kammer, jeden Winkel,
doch keine Spur von den Liebsten ich fand. So kam's mir wieder in den
Sinn, dunkel, doch gewiß. Ich war's, der sie vertrieb mit grobem
Zorn und strenger Hand. Wer weiß, wo sie nun sind. Qualen werden
sie erleiden und ich, ich bin schuld daran.
Er fängt zu schluchzen an.
Der Scharlatan: Beruhigen sie sich, mein Lieber, noch ist die
Freude nicht verloren, wenn sie den Mut nur nicht verlieren.
Das ist wie mit den Sternen, die abertausende Kilometer von uns entfernt
ihr reflektiertes Licht zur Erde senden. Wenn sie des Nachts den Himmel
beobachten und einen Stern entdecken, den sie noch nie zuvor gesehen
haben, dann empfangen sie seine Botschaft : das Licht. Was sie sehen,
ist nicht mehr die reine Wahrheit, sondern nur eine spekulative Wahrheit,
denn der Stern kann schon lange nicht mehr existieren. Sein Licht ist
aber jahrelang zur Erde unterwegs und kann, bis es auf der Erde eintrifft,
in Wirklichkeit gar nicht mehr existieren. Gehen sie nun nach Hause,
ihre Lieben werden schon den Weg zum Lichte ihres Herzens finden.
Vorhang.
© rudolf kraus